Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch! Digitale Nomaden strömen aus um aus der Welt ein Dorf zu machen. Menschen vernetzen sich über den gesamten Globus um an einer gemeinsamen Idee zu arbeiten. Technologische Fortschritte verschieben für uns täglich die Grenzen des Machbaren. Und nahezu vollständige Transparenz über Informationen führen uns dabei die Konsequenzen unseres Handels jeden Tag vor Augen. Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung sind die Treiber dieser Veränderung und sie erfüllen diese Funktion mit Bravour. Doch wer steuert das Vehikel, das da angetrieben wird? Und wohin geht die Reise?

Mit Begrifflichkeiten wie „Arbeiten 4.0“, „neue Arbeitswelt“ oder „New Work“ wird derzeit versucht dieser Expedition ins Unbekannte einen Namen zu geben. Und diese Expedition bewegt derzeit eine immer größer werdende Anzahl von Menschen. Zum einen,  weil wir die Möglichkeiten auszuschöpfen versuchen, die uns durch die Globalisierung, Technologisierung und Digitalisierung eröffnet werden. Zum anderen erleben wir bereits alle hautnah die Auswirkungen dieser Innovationen, die uns immer wieder an unsere persönlichen Grenzen führen und immer öfter auch überfordern.

Barcamp der Bertelsmann Stiftung

So ist es kein Zufall, dass das Barcamp der Bertelsmann Stiftung „Arbeiten 4.0“ am vergangenen Mittwoch innerhalb weniger Tage bereits ausgebucht war. Frei werdende Tickets wurden via Twitter innerhalb weniger Minuten weiter gereicht. So war bei der Eröffnung des Barcamps auch wirklich jeder Stuhl besetzt. Selten habe ich im Vorfeld einer Veranstaltung so viele Tweets über die Veranstaltung gelesen, wie bei dieser. Am Tag selbst gehörte der Hashtag #Arbeiten40 zu den Topthemen in Twitter-Deutschland.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer reisten dabei mit ganz unterschiedlichen Bildern in den Köpfen zum Barcamp in die Hauptstadtrepräsentanz von Bertelsmann. Das zeigte sich bereits auf dem Sessionplan. Von Recruiting und Weiterbildung über Kommunikation und Führung bis hin zu Organisationsstrukturen, die Teilgeber hatten einige Themen und Fragestellungen mitgebracht. Eines hatten die 35 Sessions jedoch gemein – die Neugierde und den Drang der Teilnehmenden und Teilgeber, die aus ganz Deutschland angereist waren, um besser zu verstehen und vorzudenken, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten werden. Mich bewegen seit einigen Monaten vor allem zwei Fragen. Erstens: Wie gestalten wir die Zusammenarbeitskultur so, dass Menschen ihr Potential entfalten können? Und zweitens: Welche Voraussetzungen und Lernerfahrungen benötigen wir für diese Art der Zusammenarbeit?

„AUGENHÖHE – Film und Dialog“

Die erste Frage versuchen wir derzeit mit dem Projekt „AUGENHÖHE – Film und Dialog“ zu beantworten. Gemeinsam mit vielen Unterstützern und Mitmachern haben wir in den vergangenen Monaten einen Film über Crowdfunding finanziert und gedreht. Unser Ziel war dabei stets zu zeigen, wie Arbeit gelingt, wenn sich Menschen auf Augenhöhe begegnen. Der Film alleine war uns aber nicht genug. Wer bereits Veränderungs- und Lernprozesse begleitet hat, weiß, der Schlüssel zum Erfolg ist der Dialog mit und zwischen den Menschen. Ideen, Überzeugungen und Bilder werden dabei abgeglichen, hinterfragt und weiterentwickelt. Aus diesem Grund gehörte von Anfang an zu unserem Film auch das Format von Dialogveranstaltungen.

Gestartet sind wir mit einer Idee auf einem Barcamp im Dezember 2013. Aus der Idee entstanden ein Vorhaben und bald auch die Überzeugung dafür, dass es dieses Projekt braucht. Denn wir werden nur zu Gestaltern unserer Arbeitswelt wenn wir ein klares Bild davon haben, wie diese Zusammenarbeit aussieht und sich anfühlt. Hierfür braucht es den Dialog der Beteiligten. 130 Tage nach der Premiere unseres Films in Hamburg haben in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Belgien bereits mehr als 140 Dialogveranstaltungen mit AUGENHÖHE stattgefunden.

Alle Möglichkeiten effektiv nutzen

Aber das ist uns nicht genug. Denn wir sind erst am Anfang einer breiten gesellschaftlichen Diskussion darüber, wie wir all die Möglichkeiten, die uns in der neuen Arbeitswelt gegeben sind, so ausnutzen, dass wir zufrieden und erfolgreich arbeiten und leben. Wer diesen Dialog beginnt, wird ihn nicht mehr abschließen können, denn die Märkte verändern sich ebenso beständig wie die Lebensumstände und Lebensziele jedes einzelnen Menschen. Unser nächstes Ziel lautet deshalb 365 Veranstaltungen in 365 Tagen! Wer die Arbeitswelt mitgestalten will, hat mit diesem Film die Gelegenheit einen ersten Impuls zu setzen. Eine weitere Möglichkeit bietet der Verein „Augenhöhe Community“ e.V., den wir in den nächsten Wochen gründen werden und der genau diesen Dialog mit vielen Gleichgesinnten weiterführen wird.

Arbeiten auf Augenhöhe ist aber kein Ponyhof. Und das gleich aus mehreren Gründen. Wo Menschen ihre Zusammenarbeitet selbst aushandeln, treffen unterschiedliche Bedürfnisse, Vorstellungen und Weltbilder aufeinander. Konflikte und Auseinandersetzung sind hier nicht nur die Folge sondern auch die Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander. Wer von uns fühlt sich aber wahrlich kompetent, wenn es um die Bewältigung von Konflikten geht?

Stärken und Grenzen einschätzen können

Die nächste Herausforderung erwartet uns bei der Entfaltung unserer Potentiale. Denn wer sein eigenes Potential entfalten will muss nicht nur erkennen, wo die eigenen Stärken liegen sondern auch seine Grenzen kennen. Diese dann mutig auszutesten und zu überwinden ist eine der größten Herausforderungen. Großes kann nur dann entstehen, wenn wir das Durchhaltevermögen und Selbstbewußtsein haben es auch ein drittes, viertes und fünftes Mal zu versuchen und uns nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen. Aber wie entfaltet sich diese Zuversicht in uns?

Wenn ich auf Augenhöhe arbeite muss ich außerdem Verantwortung für mich und mein Handeln übernehmen. Ersteres klingt erst mal harmlos und geradezu selbstverständlich. Die zunehmende Zahl von Burnout-Patienten zeigt aber, dass es vielen Menschen nicht gelingt Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse ausreichend zu berücksichtigen. Welche Erfahrungen muss ich gemacht haben, damit mir das gelingt? Auch die Verantwortung für das eigene Handeln klingt wie ein bereits allgemeingültiges Gedankengut. Wenn es aber darum geht Entscheidungen zu treffen, werden diese in allen Arten von Organisationen gerne mal nach oben, unten oder in ein anderes Team delegiert. Wie gelingt es Menschen nicht nur zum Treffen von Entscheidungen zu befähigen, sondern ebenfalls die Konsequenzen (er-)tragen zu können?

Kindern möglichst erfolgreiche Zukunft ermöglichen

Der Frage, der ich mich hauptberuflich bei der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ widme, schließt daran sehr passend an. Welche Lernerfahrungen braucht es, damit Kinder die Kompetenzen erlernen, die sie dabei unterstützen, die Anforderungen der Zukunft möglichst erfolgreich zu meistern. Auch Gunter Dueck schloss den Impuls am Vormittag des Barcamps mit der Feststellung: Arbeiten 4.0 benötigt Bildung 4.0! Der Ansatz der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ ist dabei das „forschende Lernen“.

Erwachsene fungieren als Lernbegleiter, die Kinder dabei unterstützen ihren eigenen Fragen nachzugehen und selbst Antworten und Lösungen zu finden und zu erabeiten. Hier gibt es vor allem in den Schulen noch einiges zu tun. Die Bildungspläne in allen Bundesländern weisen bereits dieses Bild von Pädagogik auf. Die Schlüsselfragen lauten hier: Welche Veränderungen in Schule und Schulverwaltung es braucht, damit sich dieses Idealbild von Bildung entfalten kann. Wie muss dieser Veränderungsprozess angelegt sein, damit sich ein Wandel in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren vollziehen kann?

Diese und viele Fragen sind nach diesem Barcamp Arbeiten 4.0 unbeantwortet geblieben. Das offenbarte auch das rundum positive Feedback am Ende der Veranstaltung. So kamen auch die Fragen auf, wie wir alle gesellschaftlichen Gruppen in den Diskurs über Arbeiten 4.0 einbeziehen können oder an welcher Stelle und durch wen der Dialog weitergeführt werden kann. Denn die Notwendigkeit des weiteren Austauschs und Dialogs war Konsens unter allen Teilnehmern. Wichtig dabei ist, jeder Einzelne ist Gestalter dieser (seiner) Arbeitswelt und für den Austausch darüber braucht es oft nicht viel. In der Regel reicht eine Frage, ein Dialogpartner und den Mut, Ideen in die Welt zu tragen.

P.S.:
Mein herzlicher Dank gilt meinen Mit-Panelisten Staatssekretär Thorben Albrecht, Gunter Dueck, Jan Westerbarkay und Stephan Grabmeier sowie Liz Mohn für einen spannenden Austausch.

Ein weiteres herzliches Dankeschön geht an das Team der Bertelsmann Stiftung für eine wunderbare Veranstaltung. Insbesondere danke ich Nicola Peschke und Birgit Wintermann für ihre sehr wertschätzende und professionelle Betreuung während der Vorbereitung der Veranstaltung und am Veranstaltungstag selbst.

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