Fehler machen ist essenziell dafür, voranzukommen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin mit einem meiner Projekte gescheitert: Vor drei Jahren launchte ich mit drei Kolleginnen ein Online-Magazin. Zwei Jahre arbeiteten wir daran, bis wir Anfang dieses Jahres schweren Herzens die Entscheidung trafen, das Magazin einzustellen. Natürlich würde es mir mehr Spaß machen, eine Erfolgsgeschichte zu erzählen – doch dass es eine Geschichte des Scheiterns ist, stimmt nur auf den ersten Blick: Ich habe nämlich durch das Projekt und vor allem auch durch sein Ende wahnsinnig viel gelernt.

Manager hingegen sind es gewohnt, wenig Feedback oder Kritik zu erhalten. Das liegt aber nicht unbedingt daran, dass ihnen mit zunehmender Berufserfahrung weniger Fehler unterlaufen. Es liegt vor allem daran, dass sie ab einer bestimmten Hierarchie-Stufe von den etablierten Feedback-Prozessen abgeschnitten sind. Jeder kleine Angestellte wird mit Jahresgesprächen getriezt, doch welcher Manager wird regelmäßig zum Gespräch gebeten? Welcher Chef fordert ernsthaft das Feedback seiner Mitarbeiter ein?

Feedbackschleifen auf allen Ebenen, Austausch, Inspiration – wir tendieren dazu, all das ab einer bestimmten Hierarchie-Ebene in unseren Unternehmen zu verlieren. Woran liegt das?

Ich denke, dass das vor allem an einem veralteten Verständnis von Führung liegt. Früher war der Chef der Kapitän, der das Schiff auch durch stürmische See navigieren konnte. Er konnte das, weil er die See kannte. Niemand sonst kannte das Meer so gut wie der Kapitän. Er hatte viel Verantwortung, aber er konnte sie auch wahrnehmen, weil er so viel Kenntnis und Erfahrung hatte.

Die Welt wandelt sich rasend schnell

Doch diese Zeiten sind lange vorbei: Die Welt ist so komplex geworden, dass sie eine Person allein nicht mehr überblicken kann. Globalisierung und Digitalisierung sind die Schlagwörter, die diesen umfassenden Wandel beschreiben.

Doch so rasend wie sich die Welt da draußen wandelt und mit ihr unsere Arbeitswelt: Unser Verständnis von Führung hat sich dem nicht angepasst. Wir kleben immer noch an unserem alten Verständnis fest, dass der Chef über alle relevanten Informationen verfügt und sie richtig interpretiert.

Ein Irrtum, der verdammt teuer werden kann. Im Zuge des Wandels, der die Arbeitswelt längst erfasst hat, müssen wir unsere Unternehmen neu aufstellen. Das ist keine Kosmetik, kein Employer Branding, sondern absolut notwendig. Und das bedeutet eben auch, darüber nachzudenken, was Führung heute leisten muss.

Doch was heißt das überhaupt, „das Unternehmen neu aufzustellen“? Wenn man Teilzeit oder Gleitzeit einführt, ist das schon New Work?

Ein bisschen, aber nicht wirklich. New Work ist nämlich nicht die Gleitzeit und auch nicht die Betriebskita, sondern es ist eine Haltung. So etwas wie Gleitzeit kann ein Ausfluss dieser Haltung sein, vor allem geht es aber um die Beweggründe, aus denen sich ein Unternehmen in die eine oder die andere Richtung wandelt.

Führung heißt zuhören

New Work heißt vor allem, das Unternehmen an die Bedürfnisse des Marktes und an die Bedürfnisse der Mitarbeiter anzupassen. Mehr noch: Das Unternehmen so aufzustellen, dass es immer wieder neu an wandelnde Gegebenheiten angepasst werden kann. Die Märkte verändern sich und genauso verändern sich die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse. Nur wer sich darauf einstellen und wer rechtzeitig darauf reagieren kann, wird zukunftsfit.

Dabei kann New Work für jede Branche, für jedes Unternehmen, ja sogar für jede Abteilung etwas ganz anderes sein. Moderne Führung bedeutet, genau zuzuhören, sich darüber auszutauschen, auch firmen- oder branchenübergreifend. Und vor allem ist New Work Arbeit: „Making Things Work Is Hard Work“, meine ich.

Doch wer ausprobiert und herumexperimentiert, wird auch einmal danebenliegen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Ohne Fehler kein Fortschritt. Fortschritt gibt es nur für den, der sich auch Fehler erlaubt.

Deshalb ist New Work eng gekoppelt mit einer neuen Fehlerkultur. Ein modernes Unternehmen sollte sich als Schutzraum verstehen, in dem ausprobiert und gestolpert werden darf. Der Trick ist, einmal öfter aufzustehen als hinzufallen – und vor allem, die richtigen Lektionen daraus zu lernen. Scheitern darf kein Makel mehr sein, sondern wir sollten es verstehen als das, was es sein kann, wenn wir richtig damit umgehen: Ein Wissensvorsprung.

Daraus folgen zwei Schwerpunkte für modernes Leadership. Einerseits sollte der Chef in seiner Abteilung, in seinem Unternehmen diesen Schutzraum schaffen. Zu Fehlern ermutigen, sie nicht sanktionieren und anleiten, daraus zu lernen.

Und wir sollten auch unseren Chefs erlauben, Fehler zu machen. Verabschiedet Euch vom allwissenden Kapitän, lasst uns gemeinsam herumexperimentieren.

Gescheitert? Der Anfang einer Reise

Das Ende unseres Online-Magazins war für mich der Ausgangspunkt einer intensiven Reise – fast wirkt es heute auf mich, als hätte mich erst das Scheitern auf einen anderen Weg katapultiert, der so viel reicher und so viel fruchtbarer ist als der Weg, auf dem ich vorher unterwegs war.

Dass ich das heute sagen kann, ist mehr als ein Glücksfall, denn ich habe viel dafür getan, dass es so kommt. Vor allem habe ich unser Scheitern als Teil meines Weges akzeptiert und mich damit auseinandergesetzt, was meine Lektionen daraus sind. Mir ist klar geworden, dass Rückschläge zu jeder Erfolgsgeschichte dazu gehören.

Das ist Leadership für mich, ganz persönlich für mich auf meinem Weg. Denn echte Führungskompetenz bedeutet, einen Raum zu schaffen, in dem auch aus Fehlern etwas erwachsen kann. Weil Fehler passieren, das ist unausweichlich. Wo keine Fehler passieren, herrscht Stillstand.

Wenn Fehler sanktioniert werden, traut sich niemand, in eine Richtung loszugehen, immer in Sorge, es könnte die falsche sein. Und das ist das Schlimmste, was einem Unternehmen in der heutigen Zeit passieren kann: Stillstand und Furcht vor Veränderung. Denn: Making Things Work Is Hard Work!

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