Zeitarbeit geht auch auf Augenhöhe, sagt Eckhard Köhn, CEO von Studitemps. Für das Unternehmen sind jeden Monat 8000 Studierende in rund 2000 deutschen Unternehmen im Einsatz. Ein Gespräch über Sicherheit, die Gig Economy und das Arbeiten nach Jahreszeiten.

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Studenten suchen Jobs ja meistens nur, um ihr Studium zu finanzieren. Ist die Jobvermittlung wirklich ein großer Markt?

Es gibt in Deutschland zwei Millionen Studenten, die neben dem Studium arbeiten. Wenn man ihre Arbeitsstunden zusammenzählt, macht das die Hälfte des gesamten Zeitarbeitssektors in Deutschland aus. Das heißt, dass Studierende ein kritischer Faktor im Bruttoinlandsprodukt sind. Trotzdem laufen sie gefühlt unter dem Radar. Klar, manche finden vielleicht über Eltern oder Freunde einen Job. Aber ohne Netzwerk ist man in einer neuen Stadt auf klassische Anzeigen oder Stellenportale angewiesen. Wenn ich aber am Schaufenster einer Modefiliale vorbeilaufe und zufällig ein Stellenplakat sehe, ist die Wahrscheinlichkeit nicht so groß, dass dieser Job alles erfüllt, was ich als Student erwarte. Der Job muss mit der Uni und den Prüfungen vereinbar, vielleicht sogar fachnah sein – und natürlich fair bezahlt.

Wie löst ihr dieses Problem?

Du meldest dich als Student bei uns an und trägst deine Präferenzen ein. Unser System schlägt dann Jobs vor, die zu deinen Ansprüchen und in deinen Kalender passen.

Und ihr vermittelt die Studenten an die Unternehmen und bekommt dann einen Prozentsatz ihres Lohns?

Wir gehen viel weiter. Denn wenn wir die Studenten nur vermitteln würden, könnte das Unternehmen anschließend wieder Flexibilität von ihnen einfordern und sagen: „morgen um 13 Uhr“, aber eigentlich haben sie bis 14 Uhr Vorlesung. Studenten haben seltsamerweise erst nach ihrem Abschluss eine Stimme gegenüber den Unternehmen – vorher kümmert sich niemand so richtig um sie. Deswegen stellen wir sie direkt an, garantieren ihren Lohn, die Fortzahlung im Krankheitsfall, den Urlaub und die Vereinbarkeit mit dem Studium. Die Unternehmen bekommen von uns passende und motivierte Arbeitskräfte, dafür zahlen sie uns einen Satz, in dem Lohn, Steuern, Sozialabgaben und unsere Arbeit, also die Suche und Vermittlung, enthalten ist. Wir nehmen sowohl den Studenten als auch den Unternehmen damit ihr Risiko ab.

Was verdient man standardmäßig mit einem Studitemps-Job?

Wir zahlen eigentlich immer mehr als den Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde. Wir suchen für die Studenten aber nicht unbedingt nach den Jobs mit der höchsten Vergütung, sondern nach Jobs mit einer fairen Vergütung. Die Arbeit sollte immer auch zur Person passen. Und wenn jemand außerordentliche Kenntnisse hat, kann er oder sie auch 30 Euro in der Stunde verdienen. In der Regel liegt der Stundenlohn zwischen 11,60 und 12 Euro.

Zeitarbeit hat kein gutes Image, weil Arbeitnehmer oft wenig Sicherheit haben.

In Deutschland wurde das Modell lange ausgenutzt, um das unternehmerische Risiko an den Arbeitnehmer auszulagern, zum Beispiel im Erntehelfergeschäft. Das sind prekäre Arbeitsverhältnisse: wenig Lohn, hohes Risiko, kurze Kündigungsfrist. Zeitarbeit kann aber auch sehr gut funktionieren: eine spannende Aufgabe, die zu meinen Kenntnissen, meinen Interessen und meiner zeitlichen Verfügbarkeit passt. Ist die Arbeit erfolgreich erledigt, können beide Seiten dankbar sein und weiterziehen. Man nennt das auch Projektarbeit oder Gig-Economy.

Was macht für dich Gig-Economy aus?

Ein Arbeitnehmer einen einzelnen Job: Das kann zum Beispiel eine Uber-Fahrt sein, aber auch drei Tage Aushilfsarbeit bei einer Supermarkt-Inventur. Wenn diese Kurzzeitjobs fair bezahlt sind, vielleicht sogar zu wiederkehrenden Einsätzen führen, ist das erstmal nicht schlecht. Problematisch wird es natürlich, wenn, wie beim Uber-Fahrer, die Bezahlung zu schlecht ist, man keine Garantie hat, ausreichend ausgelastet zu sein und nicht weiß, ob man seine Rechnungen bezahlen kann. Deswegen ist die Gig-Economy so in Verruf geraten.

Wie funktioniert Zeitarbeit im besten Fall?

Wir versuchen eine Plattform zu sein, die zwei Seiten in Balance bringt: Auf der einen Seite steht jemand, der Arbeit hat – ein Unternehmen – und auf der anderen Seite jemand, der Talent, Zeit und Motivation hat.

Was für einen Einfluss haben Veränderungen wie der Fachkräftemangel auf diese Balance?

Früher waren die Unternehmen oben und die Arbeitnehmer hatten Angst, unten aus dem System zu rutschen. Heute denken viele:

Ist es wirklich erstrebenswert, lebenslang bei einer Firma zu arbeiten? Kann ich nicht einfach meine Talente für eine gewisse Zeit auf dem Markt anbieten – und danach was anders machen?

Dieser Wandel könnte dazu führen, dass die Arbeit demokratisiert wird und Unternehmen zukünftig um Arbeitnehmer kämpfen müssen. Wenn man sich überlegt, dass in zehn Jahren acht Millionen Personen aus der Arbeitswelt verschwinden, weil die Babyboomer in Rente gehen, dann kann man sich dieses Szenario ganz gut vorstellen.

Ihr führt regelmäßig die Studie „Fachkraft 2030“ durch: Wie will die nächste Generation arbeiten?

Die Work-Life-Balance kippt ganz klar in Richtung Life. In unserer Studie sehen wir, dass Freunde und Familie für junge Menschen immer wichtiger werden. Sie wollen mit sympathischen Menschen arbeiten, statt alleine im Home-Office. Vor allem sind junge Menschen flexibel: Ab und zu wollen sie richtig reinklotzen, anschließend genießen sie die Freizeit. Gleichzeitig ist das Sicherheitsbedürfnis sehr hoch. Wir glauben, dass Zeitarbeit deshalb ein zukunftsfähiges Modell ist: Unterschiedliche Jobs, die immer genau zur Lebensphase passen. Am Anfang liegt der Fokus vielleicht auf der Karriere, dann mehr auf der Familie, sobald die Kinder älter sind kann man wieder mehr arbeiten. Oder man richtet sich nach Jahreszeiten: Im Sommer ist man viel draußen, im Winter im Büro. Warum sollte das nicht gehen?

Könnte Studitemps also in Zukunft auch für Nicht-Studenten interessant werden?

Auf jeden Fall. Es gibt zum Beispiel bereits sogenannte Mother-and-father-temps, also junge Eltern, die sich eine Teilzeitbeschäftigung wünschen, um Zeit für ihre Kinder zu haben. Oder Silvertemps, die am Ende ihres Arbeitslebens keine 40 oder 50 Stunden pro Woche mehr arbeiten wollen, aber mit ihrer Erfahrung vielen Unternehmen weiterhelfen können – und die so den Führerschein der Enkel finanzieren oder sich einfach die Zeit bis zum nächsten Segelurlaub vertreiben.

Was braucht es, damit in Zukunft tatsächlich diese utopische Variante eintritt, und keine dystopische, in der Arbeitnehmer keine Sicherheit haben und schlecht bezahlt werden?

Es ist schon wichtig, dass jemand diesen Markt reguliert. Das Arbeitsministerium hat also eine wichtige Rolle. Und wenn ein Mittler, also ein Dienstleister wie Studitemps, dafür sorgt, dass das Kräfteverhältnis zwischen beiden Seiten ausgeglichen ist, dass alle fair vergütet, niemand ausgenutzt und alle Sozialabgaben sauber abgeführt werden, kann Zeitarbeit sehr gut funktionieren.

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