Für uns als Projektteam standen in den letzten 4 Jahren bei der Befassung mit der Zukunft der Arbeit stets vier Themen im Fokus: Die erfolgreiche betriebliche digitale Transformation, die Anpassung der Arbeitsregularien an digitale Realitäten, die Weiterentwicklung des Konzepts der Vereinbarkeit und die neuen Orte des Arbeitens. Die Corona-Pandemie hat den Druck zur Anpassung der Art und Weise, wie die meisten Menschen arbeiten weiter erhöht. Hinzu wird künftig aber auch die Frage treten, wie wir in der digitalen Arbeitsweise eigentlich mit Menschen und der Umwelt umgehen. Denn: Die digitale betriebliche Transformation darf kein Selbstzweck bleiben. 

Die Zukunft der Arbeit (in Zeiten von Corona): Diese Studien erwarten euch in den nächsten Wochen

Die Corona-Pandemie hat unser Projektteam in den letzten Monaten stark in Anspruch genommen. Auf der einen Seite standen viele unserer Themen wie beispielsweise das mobile Arbeiten, das Arbeiten an neuen Orten, der arbeitsrechtliche Umgang mit digitaler Arbeit und letztlich die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben plötzlich im medialen Fokus. Auch unsere aktuellste Studie, die wir gemeinsam mit dem Münchner Kreis und unter Schirmherrschaft der Staatsministerin für Digitales des Landes Bayern, Frau Judith Gerlach, erarbeitet hatten und Ende Juni in einem digitalen Format 400 (!) Menschen vorstellen konnten, befasste sich unter anderem mit den Auswirkungen der Pandemie auf die zukünftige Art des Arbeitens – und hierbei speziell mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Arbeits- und Berufsleben. Kurz vor der Veröffentlichung stehen aber jetzt schon wieder drei weitere Studien.

In der nächsten (Kurz-) Expertise werden wir die Ergebnisse einer Befragung von 200 ExpertInnen zu den langfristigen Folgen von Corona auf die Art des Arbeitens veröffentlichen. Mitte September werden wir dann die Ergebnisse einer Fallstudie veröffentlichen, die wir gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO in Stuttgart und mit freundlicher Unterstützung der OTTO-Group durchgeführt haben. Wir haben 15 Unternehmen nach den Erfolgsfaktoren und Hürden der betrieblichen digitalen Transformation gefragt und können mit den Ergebnissen interessierten KMUs aber auch größeren Unternehmen wichtige Erfolgskriterien einer erfolgreichen digitalen Transformation anbieten. Und auch hierbei gilt:

Nie war eine digitale Transformation drängender und sinnvoller als in der Corona-Krise.

In dem Zusammenhang werden wir gleichzeitig mit der Studie das Self-Assessment-Tool „Digital Pathguide“ launchen. Dieser ermöglicht es Unternehmen, den individuellen Stand der Digitalisierung selbständig zu ermitteln und nächste Handlungsschritte zu planen.  Eine dritte Studie, die wir mit der CoworkLand eG erstellen, befasst sich mit neuen Orten des Arbeitens im ländlichen Raum. Hier untersuchen wir bundesweit ländliche Coworking-Spaces und identifizieren basierend auf der Analyse der jeweilige Geschäftsmodelle und Gründungsintentionen, die unterschiedlichen Typologien. Diese Studie deutet zugleich die thematische Weiterentwicklung an, auf deren Weg wir uns nach diesem Sommer begeben werden.

Wird mobiles Arbeiten zur neuen Selbstverständlichkeit?

Bei den neuen Orten des Arbeitens – abgeleitet aus der Entwicklung der CoWorking Spaces in Berlin und anderswo – fließen viele Entwicklungen zusammen, mit denen wir uns in den letzten 5 Jahren beschäftigt haben. Es geht um mobiles Arbeiten an Orten, die es Pendlern ermöglichen, auf zeitraubendes Pendeln zu verzichten und die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben besser zu leben. Es geht um die zeitgemäße Anpassung der arbeitsrechtlichen Vorschriften an diese neuen Arbeitsbedingungen. Dabei steht die betriebliche Transformation im Fokus, die erst eine solche Art des Arbeitens jenseits der Bürotürme ermöglicht. Die in der Corona-Krise immer wieder genannten Zahlen (wie z.B. die Zahlen des von uns unterstützten D21-Digital Index) der Menschen, die in Deutschland mobil jenseits der Büros arbeiten könnten, sprechen eine eindeutige Sprache: Wenn es auch nicht die Mehrheit der Beschäftigten ist, die so arbeiten kann, so sind es doch Millionen von Menschen, denen man diese Möglichkeit nicht vorenthalten sollte.

Dementsprechend steht die freie Wahl des Arbeitsortes – in den Fällen, in denen es beruflich überhaupt durchführbar ist – als Symbol für ein wichtiges Element der immer wieder zitierten New Work-Kultur: Menschen sollten in ihrem Arbeitsverhältnis (unabhängig davon, ob diese im Dienstleistungs- oder Produktionsbereich arbeiten!) immer auf Augenhöhe begegnet werden. Hierzu gehört das Zugeständnis der eigenständigen Wahl des Arbeitsplatzes.

New Work: Rückbesinnung auf das Wesentliche

Dazu kommen aber weitere Kernmerkmale von New Work, die es lohnen, sich nochmal vor Augen zu führen (es gibt verschiedene „Definitionen“). Der Umgang miteinander auf Augenhöhe beinhaltet Respekt für den Menschen, mit dem ich kommuniziere. Diese Einstellung ist Teil eines persönlichen Wertesystems, das jeder von uns mit zur Arbeit bringt. Und wenn meine Werte mit denen meines Arbeitgebers oder der Menschen, mit denen ich über die sozialen Medien in Kontakt stehe, abgeglichen werden, muss sich jeder Mensch fragen: Wofür stehe ich persönlich eigentlich ein? Was treibt mich an? Und wenn dieses persönliche Wertesystem nicht bei meiner Arbeit oder meinem Arbeitgeber gegenüber durch Teilhabe eingebracht werden kann, schädigt sich der Arbeitgeber am Ende vor allem selbst. Denn dadurch macht er indirekt klar, dass es ihm gegenüber seinen Angestellten an Vertrauen mangelt. Zudem verzichtet er in Zeiten, in denen die beständige Anpassung des eigenen Geschäftsmodells Pflichtaufgabe ist, auf interne Wissensressourcen. Wichtig dabei ist die Umsetzung auf allen Ebenen: Der Arbeitgeber wird in der täglichen Arbeit durch die Führungskräfte vertreten. Daher sind es die Führungskräfte, genau diese wertschätzende Kultur zu vermitteln. Digitale Kommunikation, Kollaboration und Informationsvielfalt hat diese Eigenschaften von New Work wie ein Katalysator verstärkt.

Wofür das Alles?

Konzepte wie New Work oder Neue Orte des Arbeitens und die sich daraus ergebenden Initiativen wie zum Beispiel die bekannten WOL-Zirkel (Working Out Loud) oder auch die Ko-Dörfer bringen Menschen immer häufiger zur Selbstreflektion in Bezug auf die Frage, wofür sie eigentlich selbst stehen, wie ihr Verhältnis zu den Mitmenschen ist, wofür ihr Arbeitgeber steht, wie ihr Arbeitgeber mit ihnen umgeht und wie der Arbeitgeber mit der Umwelt im weitesten Sinne umgeht.

So gelangt man irgendwann zur Frage: Wofür das alles?

Soll die Digitalisierung der eigenen Arbeit, des eigenen Arbeitsumfeldes oder des Unternehmens, in dem man arbeitet, nur dazu dienen, Arbeit weiter zu verdichten, Arbeitsproduktivität weiter zu erhöhen, um die schon heute exorbitanten Gehälter der Vorstände weiter zu steigern, den globalen und ruinösen – weil selbstausbeuterischen – Wettlauf der Beschäftigten weiter zu befeuern, um noch schneller die Umwelt zu auszubeuten und zu zerstören?

Unternehmen müssen zukünftig nachhaltig mit der Umwelt und den Beschäftigten umgehen

Oder kann die Digitalisierung der Arbeit auch dazu dienen, dass das Unternehmen, für das ich arbeite, rücksichtsvoller gegenüber der Umwelt und gegenüber den Beschäftigten agiert? Oder wie es Susan Lloyd-Hurwitz, die CEO der Mirvac-Gruppe, einer australischen Immobiliengesellschaft, die sich explizit zu den Nachhaltigkeitsprinzipien bekannt hat, formuliert hat.

„If you want people to join your company, to bring their best selves to work and stay with you, you need to treat them with understanding, appreciation, tolerance and protection for their welfare, the same way that you should treat the environment. Sustaining the natural world also requires treating it well. It is all about respect. Given the company was a sustainability champion, could it not extend that respect to its own workers?“ 

Als Arbeitgeber in Branchen, in denen es technisch umsetzbar ist, seinen Beschäftigten die Möglichkeit des mobilen Arbeitens einzuräumen, hat demnach vor diesem neuen Hintergrund zwei Dimensionen: Erstens geht es darum, durch das Vermeiden von unnötigen Pendelaufwänden natürliche Ressourcen zu schonen.  Zweitens geht es aber auch darum, die Beschäftigten als mündige Arbeitnehmer wahrzunehmen. New Work, die Digitalisierung unserer Arbeit und Nachhaltigkeit – in Bezug auf die Umwelt und in Bezug auf die Beschäftigten – zu erreichen, gehen also miteinander einher.

New Work und Nachhaltigkeit sind nicht zu trennen

Wir werden uns in den nächsten Monaten im Projektteam verstärkt diesem Thema widmen, weil wir der Meinung sind, dass die betriebliche digitale Transformation nur dann einen weitergehenden Sinn machen kann. Digitalisierung als Selbstzweck wird den Menschen auf Dauer nicht ausreichen. Wann wenn nicht jetzt sollten wir die digitalen Werkzeuge bei der Arbeit und in der Produktion nutzen, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen.

Diese neue Debatte um den Kontext von Digitalisierung (der Arbeit) und Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren zwar verstärkt an Dynamik gewonnen. Meist blieb die Debatte dabei aber auf der Ebene der Fragestellung, wie beispielsweise mit Hilfe eines smarten Energiemanagements im Eigenheim der Energiebedarf weiter gesenkt werden kann. Wir konnten diese Fixierung auf lineare Weiterentwicklungen bereits bei der Befassung mit der Zukunft der Arbeit beobachten. Während anfangs im Kontext von „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“ vor allem lineare Fortschreibungen der Arbeitsproduktivitäten unter sonst unveränderten Bedingungen im Fokus standen, wurde erst im Laufe der Jahre erkennbar, dass es um qualitative Veränderungen der Arbeit ging.

Qualitative Sprünge in der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit mit Hilfe der Digitalisierung (der Arbeit) wurden beispielsweise auf der Veranstaltung „Bits und Bäume“ diskutiert, sie fanden Eingang in das aus unserer Sicht großartige, weil interdisziplinär gedachte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen WBGU. Aber auch in einem kleinen Teil der Blogger- und Journalisten-Community wurden sie schon diskutiert. Leider wird aber in der Mehrzahl der Debattenbeiträge nach wie vor eher der Strommehrbedarf durch Streaming-Angebote problematisiert als sich mit Ansätzen zu befassen, wie mit der Digitalisierung mehr Nachhaltigkeit im Arbeiten und Wirtschaften erreicht werden kann.

Wir sind der Meinung, dass diese auf inearen logiken basierende Sichtweise den innovativen Ansätzen der Anwendung digitaler Werkzeuge zur Reduzierung der Umweltbelastungen (oder allgemeiner der Erreichung der SDG-Ziele im Wege steht.

Daher wollen wir uns verstärkt dieser potenzialorientierten quaitativen Sichtweise auf die Digitalisierung der Arbeit und der Produktion zur Erreichung von mehr Achtsamkeit den Menschen gegenüber und der Verfolgung der SDG-Ziele widmen. Die betriebliche digitale Transformation muss immer mit der Frage einhergehen, inwiefern sie implizit und explizit diesen Zielen dient.

Kommt ihr mit auf diese Reise?

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