In 2020 hat sich das Arbeiten radikal verändert. Der Corona-Lockdown hat unzählige Menschen ins Homeoffice geschickt. Meine Alternative: ein Van. Inspiriert von meiner Weltreise im Jahr zuvor wollte ich selbstständig und unabhängig arbeiten. Ich wollte mir nicht länger von meiner Arbeit vorschreiben lassen, wo ich zu leben habe. Ich wollte da arbeiten, wo ich das Leben führen kann, das ich mir wünsche: an den Surf-Hotspots dieser Welt.

„Tolle Wallpaper, und so echt!“, staunte mein Kunde in der Videokonferenz. „Aber Moment mal, bewegt die sich etwa?“ „Ja“, entgegnete ich begeistert, „diese neuen animierten Hintergründe sind wirklich super realistisch.“ Der vermeintlich virtuelle Hintergrund war echt. Er zeigte eine offene Vantür, dahinter eine malerische Küste, blauen Himmel, einen menschenleeren Strand und das Meer – meinen neuen Arbeitsplatz. In dieser Videokonferenz am Strand, die mein Kunde im Juli 2020 kurzfristig anberaumt hatte, unterhielten wir uns nicht weiter über reale oder virtuelle Hintergründe, sondern gingen zur Tagesordnung über. Inzwischen wissen viele meiner Kunden wie ich arbeite, da wird zum Einstieg eines Calls schon mal darüber gesprochen, wo ich gerade bin, was ich dort so mache und wohin es als Nächstes geht.

Tierisches Büro auf Rädern

Seit Mai 2020 arbeite ich in einem zum Camper umgebauten Sprinter, dessen Ausstattung ich in den Monaten zuvor noch auf meine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten habe. Der frühere Besitzer ist der Zoo Heidelberg, er hat großflächig Comic-Tiermotive auf das Fahrzeug folieren lassen – der Wiedererkennungswert könnte also kaum höher sein. Und auch, wenn er nicht so aussieht:

Der verrückte Van ist gleichzeitig ein technisch voll ausgestatteter Arbeitsplatz und mein Zuhause für die meiste Zeit des Jahres.

Aus meinem Mobile Home auf vier Rädern betreibe ich erfolgreich mein Business: Customer-Relationship-Management und E-Mail-Marketing Beratung. Und ich gehe meiner Leidenschaft nach, dem Surfen.

Vom Eisbach zu den echten Surfspots

Meinen festen Wohnsitz habe ich in München. Dort kann ich allenfalls auf der Eisbach-Welle surfen. Als ich noch angestellt war, habe ich das auch getan. Aufregendere, weiter entfernte Surf-Locations konnte ich nur im Urlaub ansteuern. Das war für mich zunächst völlig okay, schließlich hatte ich erst 2015 mein Bachelor-Studium in BWL, Marketing- und Medienmanagement abgeschlossen und einen Job in einer angesehenen Werbeagentur ergattert.

Doch nach vier Jahren Festanstellung schlich sich eine gewisse Unzufriedenheit ein. Ich wollte freier sein. Ich kündigte…

…und erfüllte mir zunächst einen alten Traum: Ich ging auf Weltreise. Acht Monate lang bereiste ich im Jahr 2019 Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Indonesien (Bali, Lombok, Flores), Dänemark, Irland und Südafrika. Ich arbeitete unentgeltlich für lokale Unternehmen und betrachtete dies als eine Art Pilotprojekt für die Zukunft meiner Arbeit. Nach dieser Reise stand mein Entschluss fest, mich selbstständig zu machen.

Professionell arbeiten – vorher und nachher surfen

Da ich auf meinen Reisen die Erfahrung gemacht habe, dass man praktisch von überall arbeiten kann, kam mir die Idee mit dem Van. Mobil und flexibel sein, tagsüber arbeiten, morgens und abends surfen – diesen Traum wollte ich realisieren. Und habe es getan. In diesem Jahr habe ich von Italien, Frankreich, Spanien und Dänemark aus gearbeitet und nach Feierabend auch die deutsche Nord- und Ostsee auf Surftauglichkeit getestet.

Das Arbeiten von unterwegs klappt ganz hervorragend – absolute Voraussetzung dafür: Disziplin, Organisationstalent und einen leistungsfähigen Laptop.

Ersteres gehört zu meinem Naturell, letzteres habe ich mir zugelegt. Dass die Technik und die Internetverbindung (LTE – mobiles Datenvolumen) reibungslos funktionieren ist Voraussetzung, sonst würden meine Kunden meine Arbeitsweise sicher weniger gut akzeptieren.

Urlaub? Überflüssig!

Natürlich bin ich zu den üblichen Bürozeiten erreichbar. Ich arbeite montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, rund 20 Prozent dieser Zeit verbringe ich in Terminen, die restlichen 80 Prozent bin ich autark. Wenn ich also weiß, dass an einem Tag keine Kundenanfragen mehr zu erwarten sind, steige ich auch schon mal nachmittags aufs Surfbrett und erledige offene To Dos dann am Abend. Mir die Arbeit zum größten Teil selbst einteilen zu können, ist ein Gewinn für alle Seiten.

Ich arbeite seitdem viel effizienter und bin leistungsfähiger, weil ich regelmäßige kleine Auszeiten habe, die mir viel Energie geben und mich motivieren.

Manche mögen es als problematisch empfinden, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, für mich ist es die perfekte Lösung. Auch, weil mir meine Arbeit Spaß macht. Ich brauche keinen Urlaub mehr, weil ich so lebe, wie ich es mir wünsche. Ich bin tatsächlich nie gestresst oder erschöpft. Den Planungsaufwand, den meine Arbeitsweise mit sich bringt – als ich mir beispielsweise einmal ein Café mit Internetanschluss suchen musste, weil mal wieder ein neues iOS-Update anstand, das zwingend WLAN erfordert – betrachte ich als Herausforderung.

Lebensmotto: Go hard or go home

Überhaupt spielt für mich das Thema Herausforderung eine große Rolle. Mein Motto ist ebenso meine Visitenkarte für den Job wie ein persönliches Statement. Das ist mir wichtig und differenziert mich von anderen. Ich bin ein Mensch, der Dinge durchzieht und Wege konsequent geht, trotz möglicher Hindernisse. Diese Einstellung prägt auch meine Arbeit.

Doch das Arbeiten vom Van aus hat auch seine Nachteile und birgt Risiken – die sollen nicht unerwähnt bleiben. Man hat einfach nicht die Sicherheit, die einem ein top ausgestattetes Office bietet.

Zum Beispiel mache ich mir Gedanken darüber, was passiert, wenn ich mich einmal verletzen sollte und den Van nicht fahren kann. Oder wenn der Van selbst oder die Technik ausfallen bzw. mein Laptop / Smartphone gestohlen werden.

Vorbereitung 2021: Projekte planen, Surfspots suchen

Doch bis dahin vergehen noch Jahre – über einen so langen Zeitraum plane ich nicht. Mein Fokus liegt auf 2021: in den dunklen und kalten Wintermonaten, während mein Van in der Werkstatt ist und eine Standheizung bekommt, bereite ich nicht nur neue Projekte vor, sondern suche auch die nächsten Surfziele.

Fest in einem Büro in München zu sitzen kann ich mir jedenfalls nicht mehr vorstellen. Und wenn ich aus irgendeinem Grund einmal nicht mehr vom Van aus arbeiten kann oder will, sehe ich mich in einem kleinen gemütlichen Haus irgendwo auf der Welt. Am Strand eines Surf-Hotspots, versteht sich, wo ich mir keine Gedanken mehr über virtuelle Hintergründe machen muss.

 

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